Wie du dich mit hilfreichen Glaubenssätzen besser kennenlernst und neu erfindest

  • Anregung und Buch-Tipp: Nesibe Özdemir “Was wir glauben, wer wir sind”(Beltz)

Wir alle haben sie - ob wir wollen oder nicht: Glaubenssätze. Das sind grob erklärt Sätze, an die wir glauben - egal, ob sie wahr sind oder nicht. Zum Einen geben sie uns Sicherheit, einen festen Rahmen, ein Gerüst - zum Anderen engen sie uns auch oft ein. Problematisch sind negative Glaubenssätze, weil sie uns in unserer Weiterentwicklung bremsen, uns klein halten und dafür sorgen, dass wir nicht den Erfolg haben, den wir eigentlich haben könnten. Zum Beispiel: Ich bin zu kompliziert für eine Beziehung. Oder: Nur, wenn ich Leistung bringe, werde ich geliebt.

Die Liste an limitierenden Glaubenssätzen ist lang: Ich bin nicht gut genug. Ich muss immer funktionieren. Ich werde nie erfolgreich sein. Ich werde nie viel Geld haben. Etc. Glaubenssätze stammen oft aus der Kindheit / Jugend, aus einer Zeit, in der wir noch dabei sind, unsere eigene Persönlichkeit zu bilden. Zu dem Zeitpunkt sind wir oft noch gar nicht selber in der Lage, die Meinungen und Urteile anderer über uns auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Und so kommt es dann, dass wir Glaubenssätze Jahre oder sogar jahrzehntelang mit uns herumschleppen - ohne sie einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Hier erfährst du, wie du deine Glaubenssätze erkennst und sie gegebenenfalls erneuerst, um glücklicher, befreiter und erfolgreicher zu leben. Eine Lektüre, die ich hierzu wärmstens empfehlen kann ist das Buch “Was wir glauben, wer wir sind” von der Psychologin und Psychotherapeutin Nesibe Özdemir.

Was sind Glaubenssätze?

Glaubenssätze sind Annahmen, Überzeugungen oder Sichtweisen, die eine Person über sich selbst, über andere bzw über die Welt an sich hat. Insofern sind Glaubenssätze maßgeblich daran beteiligt, wenn es um den Selbstwert, den Umgang mit Gefühlen, unser seelisches Wohlbefinden und um Erfolg geht.


Ein Glaubenssatz ist im Prinzip: ein Satz, den man glaubt - unabhängig davon, ob er wahr ist. Ein Glaubenssatz ist eine Annahme, eine Überzeugung oder auch eine Lebensregel. Es ist nichts, was wir wissen und mit Fakten belegen können, sondern etwas, was wir glauben und mit Erfahrungen und Interpretationen versuchen zu bestätigen. (Nesibe Özdemir, Was wir glauben, wer wir sind)


Dementsprechend basiert ein Glaubenssatz auf den eigenen Interpretationen und Bewertungen. Doch an dieser Stelle lohnt es sich, zu fragen wie die eigenen Interpretationen und Bewertungen eigentlich entstanden sind. Und Überraschung…natürlich spielen hier Kindheit und Jugend entscheidende Rollen, also Phasen, in denen wir auf die Glaubenssysteme unserer Eltern bzw unseres erweiterten Bezugssystems angewiesen sind und in denen sich peu à peu unsere Identität bildet.

Der Check - Was sind deine Glaubenssätze?

Um deine Glaubenssätze neu erfinden zu können, musst du sie erstmal identifizieren. Und das ist oft gar nicht so einfach, weil wir sie ja dermaßen verinnerlicht haben, was den Blick von außen erschwert. Aber: Du kannst sie herausfiltern , wenn du dich an folgenden Punkten orientierst:

  • Erinnere dich an prägende Situationen oder Erfahrungen in deinem Leben. Negative und positive. Was haben Menschen aus deiner Familie/deinem näheren Umfeld damals zu dir gesagt, an das du dich noch erinnern kannst?

  • In (negativen) Glaubenssätzen kommen meistens ausschließliche Wörter wie nie, nicht, immer, sollte, darf nicht, muss, alle, jeder, wenn-dann etc. vor.

  • Geh mit dir in Selbstreflexion und frage dich: Wie ist mein Blick auf die Welt? Welche Annahmen habe ich über die Welt und meine Mitmenschen? Was für eine Meinung habe ich über mich? Was würden andere über mich und meine Sicht auf die Dinge sagen?

Und hier noch nützliche Tipps von Nesibe Özdemir:

“Nimm dir hier die Zeit, die du brauchst. Und wenn es Jahre sind. Das Ziel ist nicht, dass du etwas schnell durcharbeitest, sondern dass du dich selbst besser kennenlernst und die Erkenntnisse in den Alltag übertragen kannst. (…) Am besten fängst du damit an, dass du reflektierst, welche Geschichten zu welchen Reaktionen, Gefühlen und Gedanken bei dir geführt haben. Welche Geschichte hat dich besonders berührt? Welche hat dich kaltgelassen? Mit welchen Protagonist:innen konntest du dich besonders identifizieren? Und warum? Wer war dir vielleicht sogar total unsympathisch und hat eher eine Art Abwehr ausgelöst? Und warum?” (Nesibe Özdemir, Was wir glauben, wer wir sind, S. 236

Wenn du ein paar Glaubenssätze gefunden hast, folgt der eigentliche Check:

Nimm jeden Glaubenssatz einzeln unter die Lupe und frage dich, wie du zu dieser Überzeugung gekommen bist, warum und woher du weißt, dass sie stimmt. Welche Beweise gibt es, dass es stimmt und welche, dass es nicht stimmt. Für was ist der Glaubenssatz hilfreich (gewesen) und für was nicht? Mach dir am besten Notizen und nimm dir ein wenig Zeit, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Wie du negative durch hilfreiche Glaubenssätze ersetzt

Eins vorab: Bitte einmal LÖSCHEN drücken und überschreiben? So einfach geht das nicht. In den meisten Fällen haben wir ja jahrzehntelang mit unseren eher hinderlichen Annahmen über uns und die Welt gelebt - da können wir nicht von heute auf morgen ein neues Set an Glaubenssätzen einfach mal eben einpflanzen. Neue Überzeugungen über sich und die Welt zu integrieren, ist ein Prozess, der viel Üben, Ausdauer (kleine Schritte) und die Lust auf Veränderung erfordert. Und: Das Wissen darum, dass wir unseren hinderlichen Glaubenssätzen eben nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern dass wir sie so gestalten können, dass sie uns helfen. Wobei helfen? Die zu werden, die wir sein wollen. Das Leben zu führen, das wir führen wollen.

Also, los geht’s. Nimm dir einen deiner Glaubenssätze vor: Kannst du ihn so umschreiben oder erweitern, so dass er für dich heute mehr Sinn macht? Aus: “Du bist nicht der Chef:innen-Typ.” könnte so zum Beispiel “Du bist noch nicht der Chef:innen-Typ” werden. Oder aus “Ich muss immer funktionieren” wird "dann “Ich muss oft funktionieren und wenn ich mal nicht funktioniere, ist das auch nicht so schlimm.”

Wichtig: Formuliere möglichst realistische Glaubenssätze

Wichtig ist, dass du nicht in das absolute Gegenteil gehst und aus “Ich muss immer funktionieren” dann “Ich muss nie funktionieren” wird. Wie schon erwähnt: Kleine Schritte sind hier wirksamer! Von einem Extrem ins andere ist außerdem selten eine gute Idee. Es geht bei der Neuausrichtung deiner Glaubenssätze ja auch darum, dass du sie dir selber glauben kannst. Denn nur dann können sie auch wirken.

Schreib dir deine neuen Glaubenssätze ruhig auf und häng Sie dir - wenn du magst - an den Kühlschrank oder sonst wohin, wo du sie des Öfteren liest. Und irgendwann, wenn du deine neuen Glaubenssätze verinnerlicht hast, wirst du sehen, dass du auch dementsprechend handeln kannst. Das ist echt ein gutes Gefühl! (Kann ich aus eigener Erfahrung sagen…aber es braucht ein wenig Zeit.)


Buchcover Nesibe Özdemir Was wir glauben, wer wir sind

Buch-Tipp: Nesibe Özdemir “Was wir glauben, wer wir sind”

Die Psychologin und Psychotherapeutin Nesibe Özedemir erzählt anhand von zehn Fällen aus ihrem Praxisalltag, was für eine Macht Glaubenssätze haben können: Sie beeinflussen, was wir uns zutrauen und was nicht. Sie prägen unser Selbstbild, unseren Selbstwert und sind maßgeblich an unseren Erfolgen bzw. Misserfolgen beteiligt. Zum Glück, so Nesibe Özdemir, sind wir unseren negativen Annahmen über uns und die Welt aber nicht hilflos ausgeliefert und es ist nie zu spät, seine Glaubenssätze zu hinterfragen und neu aufzusetzen. Wie das geht, beschreibt die Psychologin in einem Extra-Teil im Buch.

Hier geht es zum Buch

Und hier zur Nesibe Özdemirs Webseite

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